Was auch hinter der Geschichte von KINDER IN NOT steht
Absalon und ich

von Brave HYPPOLITE, Gründer und Ehrenpräsident

In jenem Vorstadtviertel von Cap Haïtien auf Haïti, wo ich aufwuchs, mischten sich unter die zwischen farbenprächtigen Bougainvilleen errichteten Häuser, die einen gewissen Wohlstand erkennen liessen, bereits die ersten Hütten, die ländliche Gegend einleitend und unübersehbar von Armut gekennzeichnet. Ich ging fast täglich den gleichen Weg und sah dabei immer einen Jungen. Er war wohl etwa sieben Jahre alt, so wie ich, und er sass immer an derselben Stelle am Strassenrand, mit dem Rücken gegen seine Hütte gelehnt. Viel später erfuhr ich, dass er Absalon geheissen hatte. Jedesmal wenn ich ihn sah, grüsste ich ihn. Wir kannten uns zwar nicht, aber doch hatte er so etwas wie einen festen Platz in meiner Kinderwelt.

Nie grüsste er zurück. Ich dachte damals einfach, er mag mich nicht. Obschon ich seine grossen leeren Augen und seinen vorstehenden Bauch über den mageren Beinen bemerkte, hatte ich keine Ahnung, dass der Junge am Verhungern war. Ich war mir einfach sicher, dass er wieder da sein würde, wenn ich das nächste Mal vorbeiging.

Aber eines Tages war er nicht mehr da. Obwohl ich damals nicht verstand, dass er gestorben war, ahnte ich wohl, dass er nun nicht einfach an einem anderen Weg sass. Aber meine Kindheit damals, im sozio-kulturellen Umfeld meines – wenn auch abwesenden – Grossvaters, des früheren Staatschefs, war voller Entdeckungen und Erlebnisse und so hätte ich diesen Jungen fast vergessen. Erst sehr viel später, ich lebte da schon lange Jahre in Europa, beschäftigte er mich erneut, in einer Zeit der persönlichen inneren Suche. Da verstand ich plötzlich, was wirklich geschehen war, und als sich das Kindheitsbild des hungerleidenden Jungen mit dem Wissen des Erwachsenen um die unzähligen Schicksale verwob, reift in mir der Entschluss, etwas tun zu müssen. Empört über die unerträgliche Lage in dieser Welt, wollte ich mein in der Zwischenzeit erworbenses Wissen und meine Erfahrung zugunsten notleinder Kinder einsetzten. Und so verdankte KINDER IN NOT sein Entstehen im wesentlichen dem Jungen Absalon.

Ich habe mich seither der Maxime verschrieben, dass "jedes Mal, wenn irgendwo ein Mensch im Elend versinkt, ein Kind an Hunger stirbt, die gesamte Menschheit versagt hat."

Mit alle Kraft widmete ich mich dem Kampf gegen Hunger und Elend. Zahlreiche Entwicklungsprojekte sind so in Afrika und Haïti entstanden.

Haitï: Eine Viertelmillion Tote, ein Vielfaches mehr an Obachlosen sind die traurige Bilanz des Erdbebens, das mein Heimatland Haïti am 12. Januar 2010 zerstört hat. Wichtige Symbole der nationalen und kulturellen Identität wie das Palais National, die Kathedrale und Universitäten sind eingestürzt. Und dann war plötzlich das haïtanische Volk, war jeder auf sich allein gestellt. Für diese Menschen, die alles verloren haben, bleibt nur noch die Hoffnung auf die Zukunft. Und die Haïtaner machen sich daran, ihr Land wieder aufzubauen. Mit internationaler Hilfe, das ist wahr, aber in erster Linie mit der ihnen eigenen Würde und Kraft und dem unerschütterlichen Glauben an sich selbst.

Auch KINDER IN NOT unterstützt sie dabei. Vor allem mit der Sicherstellung des Zugangs zu Trinkwasser und Schulen. Denn der Platz der Kinder ist nicht bei der Arbeit auf den Feldern, noch weniger auf den Strassen.

Ihre Unterstützung macht es möglich, dass wir effizient gegen Elend und Hunger wirken können, dass Absalon weiterleben kann.

Brave Hyppolite